Was ist ADHS?

ADHS = Neurodiversität

ADHS, also eine "Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung" wird mittlerweile als eine neurobiologische Normvariante angesehen. Das bedeutet, dass Menschen mit einer ADHS-Struktur neurobiologisch anders ausgestattet sind als die meisten anderen "neurotypischen" Menschen. Strukturell lässt sich ADHS daher mit Autismus vergleichen: Menschen mit einer autistischen Struktur weichen neurobiologisch ebenfalls von der Mehrheit der Menschen ab. Der übergreifende Begriff für das Vorhandensein unterschiedlicher neurobiologischer Ausstattungen ist Neurodiversität. Menschen mit einer ADHS-Struktur haben somit also keine psychische Störung im engeren Sinne (auch wenn ADHS derzeit als solche diagnostiziert und klassifiziert wird), sondern "ticken" einfach anders als die meisten anderen "neurotypischen" Menschen.


ADHS trifft Welt: Eine Frage der Passung

Da die neurotypische Mehrheit der Menschen bestimmt, wie unsere Lebenswelt gestaltet wird, ist unsere Welt für neurotypische Menschen gemacht - und nicht für Menschen mit einer abweichenden neurobiologischen Struktur, also z.B. Menschen mit einer ADHS-Struktur. Mit dieser fehlenden Passung - neurobiologisch abweichende Struktur trifft auf Anforderungen einer neurotypischen Welt - lassen sich im Kern die vielen Schwierigkeiten in der Lebensführung erklären, die Menschen mit einer ADHS-Struktur häufig haben.


ADHS hat viele Gesichter

Genauso wie neurotypische Menschen nicht alle gleich sind, unterscheiden sich auch Menschen mit einer ADHS-Struktur (teilweise erheblich) voneinander. Dafür gibt es verschiedene Gründe:

  • Zum einen ist ADHS ein Überbegriff für verschiedene Phänomene im Erleben und Verhalten. Die einzelnen Phänomene können bei verschiedenen Menschen mit einer ADHS-Struktur unterschiedlich stark ausgeprägt sein.

  • Zum anderen spielt das Umfeld, in dem ein Mensch mit ADHS-Struktur aufwächst, eine große Rolle: Je nachdem, wie das Umfeld auf den Menschen mit seinen aus der ADHS-Struktur resultierenden Besonderheiten reagiert, kann es bestimmte Phänomene verringern, verstärken, verdecken oder unterdrücken.

  • Außerdem erlernen Menschen mit ADHS-Struktur im Lauf ihres Lebens unterschiedlichste Strategien, um mit den Anforderungen einer neurotypischen Welt zurechtzukommen.

  • Zusätzlich gibt es natürlich Interaktionen zwischen den ADHS-Eigenschaften eines Menschen und seinen übrigen Eigenschaften. Denn auch wenn der häufig anzutreffende Begriff "ADHSler" es anders suggeriert, verfügt ein Mensch mit einer ADHS-Struktur natürlich über eine Vielzahl an Eigenschaften, die unabhängig von der ADHS-Struktur bestehen. Daher bevorzugen und verwenden wir den Begriff "Mensch mit ADHS-Struktur".

Wie zeigt sich ADHS?

Prinzipiell lassen sich zwei Bereiche unterscheiden, in denen sich eine ADHS-Struktur zeigen kann: Aufmerksamkeit und Hyperaktivität/Impulsivität. Die Ausprägung der Phänomene in beiden Bereichen kann dabei sehr unterschiedlich ausfallen. Zusätzlich liegt bei Menschen mit einer ADHS-Struktur häufig eine stark ausgeprägte Emotionalität mit schnell wechselnden Gefühlen/Stimmungen vor.

Im Bereich Aufmerksamkeit kann sich eine ADHS-Struktur wie folgt zeigen:

  • Es fällt schwer seine Aufmerksamkeit bei einer Sache/einer Tätigkeit zu halten
  • Leichte Ablenkbarkeit durch eigene Gedanken oder äußere Reize
  • Details werden häufig übersehen oder es wird sich in sie vertieft
  • Planen und Organisieren von Alltagsangelegenheiten fällt schwer oder wird vermieden
  • In Gesprächen fällt es schwer über längere Zeit zuzuhören, Gesprächsinhalte werden häufig vergessen
  • Aufgaben und Termine werden häufig vergessen, Gegenstände häufig verlegt

Im Bereich Hyperaktivität/Impulsivität kann sich eine ADHS-Struktur wie folgt zeigen:

  • Es fällt schwer bzw. kostet viel Anstrengung, über längere Zeit stillzusitzen
  • Die Hände sind ständig mit irgendetwas beschäftigt, die Beine unruhig
  • Es besteht ein Gefühl von innerer Unruhe und der Drang ständig etwas zu tun
  • Entspannen fällt schwer, unter Umständen gelingt dies nur durch viel sportliche Aktivität
  • Es besteht ein großes Mitteilungsbedürfnis, andere werden in Gesprächen häufig unterbrochen
  • Warten fällt sehr schwer, es kommt schnell Ungeduld auf
  • Es besteht ein großes Bedürfnis nach Stimulation ("sensation seeking")