Therapie bei ADHS

Bitte beachten Sie, dass wir keine psychiatrische Behandlung und keine Psychotherapie anbieten!

Medikamente: Direkte Wirkung auf die Aufmerksamkeitssteuerung

Ein zentrales Phänomen von ADHS ist die sehr breite und im Fokus häufig wechselnde Aufmerksamkeit, die es für Menschen mit ADHS-Struktur schwierig macht, Tätigkeiten anzufangen, dabei zu bleiben und zu Ende zu bringen. Durch diese Schwierigkeiten entsteht häufig ein großer Leidensdruck - sowohl im beruflichen als auch im privaten Kontext. Diese abweichende Funktionsweise der Aufmerksamkeitssteuerung lässt sich im Kern durch Psychotherapie nicht verändern. Im Rahmen einer Psychotherapie erarbeitete Strategien können helfen, mit diesem Phänomen umzugehen. Reichen solche Strategien jedoch nicht aus, können Medikamente, die die Aufmerksamkeitssteuerung direkt beeinflussen, hilfreich sein.

Stimulantien als Mittel der Wahl

Die am häufigsten bei ADHS verschriebenen Medikamente sind die sogenannten Stimulantien. Aktuell sind für die Behandlung von Erwachsenen in Deutschland zwei Wirkstoffe zugelassen: Methylphenidat und Lisdexamphetamin. Besser bekannt sind die in Deutschland gängigen Handelsnamen Ritalin, Medikinet und Concerta (alle Methylphenidat) bzw. Elvanse (Lisdexamphetamin).

Zusätzlich lässt sich zwischen sogenannten "retardierten" und "unretardierten" Präparaten unterscheiden: Unretardierte Präparate fangen nach etwa 30 Minuten an zu wirken, die Wirkung erreicht nach 3 bis 4 Stunden ihren Höhepunkt und nach 6 bis 8 Stunden ist keine spürbare Wirkung mehr vorhanden. Bei retardierten Präparaten wird die Hälfte des Wirkstoffs sofort freigesetzt, so dass eine erste Wirkung ebenfalls nach etwa 30 Minuten einsetzt. Die andere Hälfte wird erst nach einigen Stunden freigesetzt, so dass die Wirkdauer insgesamt verlängert wird. Die Idee der retardierten Präparate ist, dass die einmalige Einnahme am Morgen ausreicht, um den ganzen Tag über von der Wirkung zu profitieren. Bei der Einnahme von Methylphenidat kann es nach dem Abklingen der Wirkung zu einem sogenannten “Rebound-Effekt” kommen, bei dem die Konzentration für kurze Zeit eingeschränkt ist und die Stimmung gedämpft und/oder gereizt.

Wie alle Psychopharmaka und letztlich alle Medikamente können Stimulantien neben der erwünschten Wirkung auch zu Nebenwirkungen führen. Verschrieben werden können Stimulantien prinzipiell sowohl von Hausärzt*innen als auch von Psychiater*innen. Da Psychiater*innen in der Regel mehr Erfahrung in der Auswahl des passenden Präparats und bei der Gestaltung der Eindosierung haben, sind diese in der Regel die besser geeigneten Ansprechpartner*innen. Um Stimulantien (oder ein anderes für die Behandlung von ADHS zugelassenes Medikament) verschrieben bekommen zu können, muss in der Regel ein Nachweis über die Diagnose ADHS vorgelegt werden. Der Befundbericht, den Sie bei positivem Befund von uns bekommen, wird unserer Erfahrung nach von Psychiater*innen als Nachweis akzeptiert.


Psychotherapie: Selbstakzeptanz und Aufbau von Strategien

Wie bereits erwähnt, haben psychotherapeutische Methoden keine direkte Wirkung auf die Aufmerksamkeitssteuerung. Sie können dennoch sehr hilfreich dabei sein, einen Weg für sich zu finden, um ein erfolgreiches und zufriedenes Leben mit ADHS-Struktur zu führen. Ein grundlegender und sehr wichtiger Aspekt ist dabei die Selbstakzeptanz. Menschen mit einer ADHS-Struktur fühlen sich häufig “anders” und hadern damit, dass ihnen Dinge schwer fallen, die anderen leicht fallen. Diese Erfahrung führt häufig zu Glaubenssätzen wie “Ich bin faul”, “Ich bin dumm” oder “Mit mir stimmt etwas nicht”. Die Diagnose ADHS zu erhalten kann einen paradox anmutenden, entlastenden Effekt haben: Einerseits bestätigt die Diagnose das Gefühl “anders” zu sein, da Menschen mit einer ADHS-Struktur neurobiologisch anders ausgestattet sind als neurotypische Menschen - vereinfacht gesagt: Sie “ticken” anders (siehe auch: Was ist ADHS?). Da dieser Umstand eine Erklärung für viele Schwierigkeiten liefern kann, kann er es ermöglichen belastende Glaubenssätze loszulassen und sich stattdessen auf das Stärken und Finden von Strategien zu konzentrieren, die helfen, ein erfolgreiches und zufriedenes Leben mit ADHS-Struktur zu führen.


Medikamente oder Psychotherapie?

Wenn die Diagnose ADHS steht, spricht vieles dafür, Medikamente auszuprobieren. Viele Menschen mit ADHS-Struktur, die wir im Rahmen unserer psychotherapeutischen Tätigkeit erlebt haben, berichten nach den ersten Tagen der Einnahme, wie sehr es sie beeindruckt, wie es sich in ihrem Kopf auch anfühlen kann: ruhig und geordnet. Im weiteren Verlauf berichten viele, dass die Wirkung der Medikamente einen deutlichen Zugewinn an Lebensqualität mit sich bringt: Es fällt ihnen jetzt einfacher, Dinge zu erledigen, sie schieben Aufgaben seltener auf und erleben dadurch einen Rückgang des vorher oftmals recht hohen Stresslevels. Manche nehmen die Medikamente in der Folge regelmäßig ein, andere bei Bedarf, einige verzichten aus verschiedenen Gründen wieder darauf. Ein Vorteil, wenn man die Medikamente einmal ausprobiert hat: Wenn man weiß in welcher Dosis sie bei einem gut wirken, kann man sie in Lebensphasen, in denen man sie braucht (z.B. Schreiben von Abschlussarbeiten, Lernphasen, intensive Projektphasen) leichter einsetzen, als wenn man sie erst dann das erste Mal ausprobiert. Wenn Sie sich unsicher sind, können Sie sich mit Ihren Fragen und Sorgen an Ihre*n Psychiater*in wenden.

Psychotherapie macht dann Sinn, wenn Sie einen konkreten Auftrag haben. Wenn es Ihnen z.B. schwerfällt Ordnung in Ihrer Wohnung/Ihrem Haus zu halten, wichtige Dokumente und Unterlagen geordnet aufzubewahren oder generell eine Tagesstruktur zu etablieren. Ein*e Psychotherapeut*in kann Sie dabei unterestützten neue Strategien zu entwickeln, diese in Ihren Alltag zu integrieren oder Prioritäten für verschiedene Lebensbereiche aufzustellen. Zudem können in einer Psychotherapie auch andere psychische Belastungen (z.B. depressive oder Angst-Symptomatik) mitbehandelt werden. Wenn Sie sich unsicher sind, ob Sie Psychotherapie brauchen, kann es Sinn machen, dies im Rahmen von probatorischen Sitzungen zu klären.